Tarifvereinbarung in der Chemischen Industrie: Brückenzahlung zur Dämpfung der Inflation – Fortsetzung der Verhandlungen im Oktober 2022
Die IGBCE und der BAVC haben mit ihrer Tarifvereinbarung Weitsicht bewiesen. Ob dies auch auf weitere Tarifverhandlungen Auswirkungen haben wird, bleibt abzuwarten und ist aufgrund der kurzen Laufzeit eher nicht zu erwarten. Dennoch sind die Einzelheiten vielleicht auch für Sie in der Argumentation interessant.
- Die Chemie-Beschäftigten erhalten eine Brückenzahlung in Höhe von 1.400 EUR. Diese geht nicht dauerhaft in die Tariftabelle ein. Die Einmalzahlung ist flexibilisiert. Bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten (Verlust in 2021; Nettoumsatzrendite unter 3 Prozent für 2021 oder voraussichtlich für 2022) wird die Zahlung auf 1.000 EUR gekürzt. Die Auszahlung erfolgt bis Ende Mai 2022. Auszubildende erhalten 500 EUR.
- Ob dauerhafte Entgeltsteigerungen möglich sind, verhandeln Arbeitgeber und IGBCE erneut bei der Fortsetzung der Verhandlungen im Herbst dieses Jahres. Bis Ende Oktober gelten die bisherigen Entgelttabellen unverändert weiter.
- Chemie-Sozialpartner spenden 1 Million EUR für die Ukraine-Hilfe: BAVC und IGBCE spenden über den Unterstützungsverein der Chemischen Industrie (UCI) 1 Million EUR, die insbesondere zur Arbeitsmarktintegration Geflüchteter eingesetzt werden sollen.
- Schichtarbeit: Zur Steigerung der Attraktivität von Schichtarbeit haben BAVC und IGBCE sich darauf verständigt, die Zuschläge für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit einheitlich auf 20 % festzulegen. Bislang lagen diese bei 15 % bzw. 20 %.
- Ausbildung: Um Auszubildende mit Förderbedarf zu unterstützen, investieren die ChemieSozialpartner 3 Millionen EUR in das neue UCI-Programm „AusbildungPlus“. Damit werden junge Menschen mit pandemiebedingten Lernrückständen in kleinen und mittleren Unternehmen gefördert. Sie erhalten bei Bedarf eine zusätzliche Lernunterstützung, um Nachteile und erschwerte Startchancen infolge der CoronaPandemie auszugleichen. Das Programm ist auf zwei Jahre befristet. Je Auszubildenden ist eine Förderung von bis zu 1.000 EUR möglich. So können etwa 1.500 Auszubildende pro Jahr gefördert werden. Kern der Förderung ist die Lernbegleitung im ersten Ausbildungsjahr sowie die Prüfungsvorbereitung der Ausbildungs- und Prüfungsjahrgänge 2022 und 2023, die in besonderem Maße von den Folgen der Pandemie betroffen sind.
- Mobiles Arbeiten: BAVC und IGBCE haben vereinbart, die Praxis des mobilen Arbeitens wissenschaftlich begleitet zu untersuchen. Ergebnisse sollen im Jahr 2023 vorliegen. Ziel der Studie ist, die bisherige Praxis mobiler Arbeit unter Beteiligung sowohl der Beschäftigten als auch der Unternehmen zu analysieren und zu bewerten. Im Anschluss prüfen die Sozialpartner, ob sich tarifpolitische Maßnahmen aus der Studie ableiten lassen.
- Sozialpartner-Modell zur betrieblichen Altersvorsorge: Die Chemie-Sozialpartner entwickeln das erste branchenweite Sozialpartner-Modell für die betriebliche Altersvorsorge. BAVC und IGBCE werden bis 30. Juni die tariflichen Regelungen schaffen, um reine Beitragszusagen für Neuzusagen zu ermöglichen. Der gemeinsam von den Tarifpartnern mit der R+V Versicherung angebotene ChemiePensionsfonds soll als erste Versorgungseinrichtung in der Branche auf das neue Modell umgestellt werden. Ziel ist, auch neu hinzukommenden Beschäftigten eine attraktive Versorgung mit guten Renditechancen anbieten zu können und gleichzeitig Haftungsrisiken für die Unternehmen angesichts der andauernden Niedrigzinsphase zu vermeiden. Bestehende Verträge und Versorgungen werden zu den vereinbarten Konditionen vom Chemie-Pensionsfonds fortgeführt und sind von den Überlegungen grundsätzlich nicht betroffen. Das Sozialpartner-Modell tritt neben die bisherigen Zusageformen der betrieblichen und tariflichen Altersversorgung, die ebenfalls weiterhin angeboten werden.
- Altersfreizeiten: Für die Altersfreizeiten in der chemischen Industrie gibt es künftig mehr Flexibilität: So können Unternehmen und Beschäftigte vereinbaren, die Altersfreizeiten zu ersetzen durch einen flexiblen Übergang in den Ruhestand, durch eine Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung oder in die betriebliche Altersvorsorge. Welches Modell im Betrieb angeboten wird, entscheidet der Arbeitgeber; die Nutzung setzt beiderseitige Zustimmung voraus. Kommt eine der Optionen zur Anwendung, steht dem Arbeitgeber heute mehr Arbeitsvolumen zur Verfügung. Altersfreizeiten im Umfang von 2,5 Stunden pro Woche erhalten nach Tarifvertrag alle Beschäftigten ab dem 57. Lebensjahr; bei Beschäftigten in Schichtarbeit sind es 3,5 Stunden pro Woche ab dem 55. Lebensjahr. Sie werden künftig anteilig allen Teilzeit-Mitarbeitern gewährt.