Bunter wie bitterer Mix
Was hatte Walter im Gepäck? Schlaue Antworten jedenfalls nicht. "Wie geht es weiter? Das würde ich auch gerne wissen", stellte der 65-Jährige in den Raum. Er gab Fingerzeige, nannte Optionen, sprach unangenehme Wahrheiten an - ein ebenso bunter wie bitterer Mix. Beispiel Nachwuchs: "Der deutsche Bildungsbürger hat sich der Zukunft verweigert." Da viel zu wenige Akademiker Kinder in die Welt setzten, habe Deutschland ein echtes Problem auf Produzenten- und Konsumentenseite. Die heute 50-jährigen Ingenieure müssten eigentlich alle fünf Jahre länger im Job bleiben und sich ständig fortbilden: Was nachrückt, reicht nicht. Die Wirtschaft, so Walter, müsse sich anderswo Wachstumsmärkte suchen: "Ägypten, Türkei, Indien - weil wir verdammt nochmal zu wenig Kinder produziert haben."
Die Wirtschaftskrise ist laut Walter jedenfalls noch lange nicht vorbei: In der Wucht viel zu spät erkannt, in den Ausmaßen von allen unterschätzt, werde sie weiter Wirkungen zeigen. Da solle man sich nicht durch womöglich gute Zahlen für das dritte Quartal täuschen lassen, weil Sondereffekte auftauchten, sagte der 65-Jährige, der zum Jahresende aus dem Job scheidet, aber für eine Rente konsequent ab 67 Jahren und darüber hinaus eine zügige Erhöhung dieses Rentenalters eintritt. Dazu 2010 eine Nullrunde für die Löhne, einen entfesselten Gesundheitsmarkt mit Wettbewerb zwischen Ärzten und Krankenkassen - Walters Empfehlungen sind klar, auch wenn er von der neuen schwarz-gelben Koalition in Berlin erst nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen im nächsten Frühjahr echte Einschnitte erwartet. Parteipolitik? Wenn CDU-Mitglied Walter SPD-Mann Peer Steinbrück den international anerkanntesten Finanzminister seit Helmut Schmidt nennt, mag das ein starker Hinweis auf Neutralität sein.
Internationales Denken
Was bleibt? "Unser Feld ist die Welt", rief Walter zu internationalem Denken auf: "Ein Weckruf." Ob Bäcker oder Fenster- und Fassadenbauer - die Wertschätzung deutscher (Handwerks-)Arbeit sei nach wie vor ungebrochen, die Liste fas beliebig verlängerbar: "Wir sind nicht nur Spitze bei Autos." Und die nächste Generation der Deutschen, lobte Walter, spreche viel besser Englisch als andere. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil, bei dem Walter aus dem Nähkästchen plaudern konnte: Das von der Deutschen Bank nach Indien verlegte internationale Callcenter wurde längst heimgeholt und steht jetzt in Ostberlin: "Das Englisch der Inder haben die Kunden nicht verstanden."
Hintergrund
Als IHK-Geschäftsführer Dr. Uvo Hölscher und Goslars Oberbürgermeister Dr. Hermann Pfaffendorf am 19. September 1949 den Allgemeinen Arbeitgeberverband Nordharz aus der Taufe hoben, bewiesen sie Mut und Weitblick. Damals wie heute habe die "soziale Selbstverantwortung im Mittelpunkt gestanden, hob der aktuelle Harzer Arbeitgeberchef Torsten Janßen das Tun der Vorreiter hervor, das die Feier zum runden Geburtstag - "60 Jahre und immer weise gewesen", lobte Goslars Rathauschef Henning Binnewies - am Samstagabend in der Pfalz erst ermöglichte. Übrigens exakt 20 Jahre nach dem Fall der Mauer: Dass der Verband schon im Februar 1989 aus dem Nordharz im Namen den Harz machte, sei nicht gesamtdeutsch-visionär, sondern in Richtung Oberharz gedacht gewesen, erklärte Janßen. Seit diesem Jahr hat sich die Zahl der Mitglieder auf mehr als 400 annähernd verdoppelt. Ebenfalls eine runde Sache: Zehn Jahre ist Anja Mertelsmann Geschäftsführerin - und als "First Lady", so Janßen, nicht mehr wegzudenken.
fh