Presseberichte zur Jahresveranstaltung des AGV Harz e.V. am 5. März 2001

Gast und Gastgeber: Dr. Michel Friedman (r.) mit dem Vorstand des AGV Ulrich Weiterer und dessen Geschäftsführerin Anja Mertelsmann.. Foto: Schenk

Goslarsche Zeitung - 6. März 2001

"Jeder Mensch kann die Welt verändern"

Dr. Michel Friedman bei der Jahresveranstaltung des Arbeitgeberverbands
GOSLAR. Nicht Steuerlast oder Bürokratie, sondern demokratische Gesellschaft und Bildungssystem sind die wichtigsten Faktoren, wenn es um die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland geht. Das hat der CDU-Politiker, Talkmaster und Vizepräsident des Zentralrats der Jugen in Deutschland Dr. Michel Friedman gestern in der Kaiserpfalz betont.
Friedman sprach am frühen Abend bei der Jahresveranstaltung des Allgemeinen Arbeitgeberverbands Harz (AGV) vor über 500 Gästen aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung zum Thema "Möglichkeiten nationaler Wirtschaftspolitik in einer globalisierten Wirtschaft". Der Sozialstaat, so Friedman in seiner emotional und provokant vorgetragenen Grundstzrede, sei ein entscheidender Standortvorteil, weil er den sozialen Frieden garantiere. Gleichzeitig warnte Friedman Arbeitgeber wie Arbeitnehmer davor, bei der Gestaltung der Zukunft auf starre Prinzipien zu setzen. Flexibilität sei gefragt, im Denken wie im Handeln.

Mittelmaß an der Macht?
In diesem Zusammenhang übte Friedman scharfe Kritik am bundesdeutschen Bildungssystem. Im internationalen Vergleich sei Deutschland nur noch Mittelmaß, und das nicht erst seit gestern: Bei seiner eigenen Promotion vor 20 Jahren habe er sich bereits gewundert, so Friedman süffisant, "wie leicht man hierzulande einen Doktortiel bekommt." Die beste Bildung für jede Begabung forderte der Politiker, "und deshalb darf der Begriff der Elite kein Schimpfwort sein." Vielleicht sei die Ausbildung von Eliten, die für verantwortungsvolle Positionen unerlässlich seien, deshalb unmöglich, "weil die, die das zu entscheiden hätten, selber mittelmäßig sind."

Zu Kreativität und Widerspruchsgeist müsse das Bildungssystem erziehen, um junge Menschen zu Leistungsträgern zu formen, verlangte Friedman, und dazu müsse die demokratische Gesellschaft Streitkultur als positives Gut begreifen: "Sehnsucht nach Konsens führt zum Untergang, nur der Dissens ist Fortschritt."

Der Politiker forderte Erleichterungen für junge Unternehmensgründer, nicht zuletzt, wenn es um Kapitalbeschaffung gehe, und landete in diesem Zusammenhang einen Seitenhieb gegen die Finanzuwirtschaft: in einem Land, in dem "der Banker mehr wert ist als der Denker", mache er sich in der Tat Sorge um die Zukunft.

"Zeit des Sprechens ist vorbei"
"Ich mag von Wirtschaft keine Ahnung haben", kokettierte der Jurist Friedman mit der ihm zugedachten Rolle, aber eines habe er von seinem Vater, einem Kaufmann, gelernt: es mache einen Unterschied, ob man acht oder zwölf Stunden, produktiv oder ineffektiv arbeit. Fazit: "Wir müssen mehr und besser arbeiten", und es sei höchste Zeit, das zu erkennen: "Die Zeit des Sprechens ist vorbei, die Zeit des Handelns ist gekommen."
Friedmann schloss sein mehrfach von Beifall unterbrochenes gut einstündiges Referat mit einem Appell an den Gestaltungswillen der demokratischen Gesellschaft. "Das Wunder des Menschen ist sein freier Geist", nichts müsse so bleiben, wie es ist, alles könne anders werden. Und, in Anspielung auf den Fabrikanten Oskar Schindler, der durch seine berühmte Liste auch Friedmans Eltern und Großeltern vor dem Vernichtungslager rettete: "Der Satz, man könne nichts tun, hat zu keiner Zeit gestimmt, auch nicht während der Hitlerzeit. Jeder Mensch kann die Welt verändern, wenn er nur will." rke

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